Wegmoment der Woche
Es ist ein später Nachmittag, mein Kopf brummt nach einem langen Tag voller Gespräche, Anforderungen und Aufgaben. Ich will gerade Feierabend machen und das Notebook zuklappen, als mein Telefon klingelt. Eine Bekannte spricht in einem Ton mit mir, den ich als fordernd empfinde. Früher hätte ich vielleicht patzig geantwortet oder das Gespräch genervt abgebrochen. Doch diesmal bleibe ich kurz still. Ich bemerke: Mein Herz schlägt schneller. Ich spüre Druck im Bauch. Gedanken kreisen: „Immer ruft sie an, wenn ich keine Energie mehr habe!“
Ich atme ein, aus. Ich benenne für mich innerlich: „Ich bin müde. Ich brauche Ruhe.“ Und dann wähle ich bewusst meine Reaktion. Ruhiger. Klarer. Freundlicher – für sie und für mich. „Kann ich Dich später zurückrufen?“
Gedankenimpuls
Diese kleine Alltagsszene zeigt, was Achtsamkeit leisten kann. Achtsamkeit bedeutet, wach zu sein für das, was im gegenwärtigen Moment geschieht – in mir und um mich herum. Ich lerne, meine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen wahrzunehmen, ohne sie sofort zu bewerten oder unterdrücken zu müssen.
In der Gewaltfreien Kommunikation, entwickelt von Marshall B. Rosenberg, ist das ein wesentlicher Schritt. Denn wie soll ich ehrlich und klar mit anderen kommunizieren, wenn ich gar nicht genau weiß, was in mir gerade lebendig ist?
Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun spricht davon, dass es zunächst eine „Innerung“ braucht – also eine bewusste innere Wahrnehmung – bevor es zu einer stimmigen „Äußerung“ kommen kann. Achtsamkeit ermöglicht genau diesen Moment des Innehaltens. Sie schafft Raum, in dem ich mir selbst begegne, bevor ich dem anderen begegne.
Wenn ich mit mir selbst achtsam bin, erkenne ich:
-Was denke ich gerade wirklich?
-Was fühle ich gerade?
-Was brauche ich?
Erst aus dieser inneren Klarheit heraus wird es möglich, mit anderen in Verbindung zu treten – ohne Vorwurf, ohne Angriff, ohne automatische Reaktionen.
Einladung zur Übung
Achtsamkeit braucht kein Meditationskissen und keine Stunde Zeit. Du kannst sie jederzeit üben – mitten im Alltag.
mehrmals am Tag:
-Nimm einen tiefen Atemzug.
-Richte deine Aufmerksamkeit nach innen. Was denkst du? Was fühlst du? Was spürst du im Körper?
-Benenne innerlich, was gerade da ist – ohne es zu bewerten.
-Entscheide dich bewusst, wie du handeln möchtest.
Reflexionsfrage
In welchen Situationen reagiere ich wie automatisch – und wie würde es sich anfühlen, dort mit mehr innerer Ruhe und Bewusstheit zu agieren?
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“